Jede Stille ist nur so gut wie ihre Freiwilligkeit
Foto: Stephan Jockel
Die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Gegenmaßnahmen bedeuten enorme Einschränkungen für das Leben zahlloser Menschen. Auch an unseren Frankfurter Persönlichkeiten geht der vorherrschende Ausnahmezustand nicht unbemerkt vorüber. Aber wie treten die derzeitigen Beeinträchtigungen eigentlich zum Vorschein? Welche Veränderungen lassen sich in ihrem Alltag feststellen? So nimmt Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt am Main, die Situation wahr:
„Um mit einem Scherz zu beginnen: Liegen die Mundschutzmasken, die meine süd-koreanische Schwiegermutter für meine Frau und unsere Kinder vor Wochen schon in Daejeon nähen ließ, bei Ihnen auf dem Hangar? Wir warten wirklich darauf. Und ganz im Ernst: Natürlich, dieses Virus schränkt uns ein, hinterfragt unser Handeln und Treiben. Auch der berufliche Alltag für unser Team am Literaturhaus Frankfurt a.M. könnte trostloser kaum sein. All die Bücher und Autor*innen, die gerade jetzt in die Welt treten wollten, gehen unter, finden kaum Beachtung. Kein Publikumsverkehr in unserem großen neoklassizistischen Haus am Mainufer. Aber die Buchbranche und wir Leser müssen uns auch vorwerfen, dass wir das hohe Kulturgut Buch seit vielen Jahrzehnten nicht anders behandeln als etwa die Mode ihre Jahreszeitkollektionen. Es müsste doch nicht so sein, dass wir all diesen Büchern nur so eine kurze Halbwertzeit zugestehen, weil es bald neue Herbsttitel geben wird und die Titel für das Frühjahr 2021 auch schon geplant sind. Gute Bücher sind doch für ewig gemacht. Die globalisierte Welt dreht ein großes Rad, und wir drehen es schnell. Das wussten wir vorher auch schon. Jetzt bekommen wir es zu spüren. Ich selbst hatte einen vollkommen durchgeplanten Frühjahrs- und Sommerablauf mit unzähligen Veranstaltungen, Geschäftsreisen, Osterurlaub mit der Familie. Und ein Flug war auch dabei. Der Himmel über Frankfurt hat keine „Kratzer“ jetzt, kein Kerosin, keine Kondensstreifen. Jede Stille ist nur so gut wie ihre Freiwilligkeit.“